Dienstag, 27. Dezember 2005

Gedanken, wie es sein könnte, Weihnachten in einem fremden Land zu feiern

Angenommen ich säße nicht mitten in der Nacht am Schreibtisch und würde nicht auf der Suche nach Schlaf dem Morgen entgegenschreiben, sondern ich würde mich im Ausland befinden. Schon gewisse Zeit im Ausland, so ca. zwei Jahre. Also ich wohne im Ausland, dessen Sprache ich nahezu perfekt spreche, aber deren Kultur mir in vielen Bereichen oft vollkommen fremd ist. In diesem Land will ich den größten Feiertag der dort lebenden Menschen im Kreise von Einheimischen verbringen. So ein Fest wie bei uns Weihnachten, in einem fremden Land. Wenn man einen solchen Entschluss gefasst hat, dann ist man wahrscheinlich auf so einiges gefasst. Aber inwieweit man sich auf das Verhalten der Gastgeber vorbereiten kann wüsste ich nicht.
Es ist dieser besagte Festtag und ich bin offensichtlich und augenscheinlich der Fremdkörper an dieser wohlgedeckten Tafel. Mit großer Sicherheit würde man versuchen sich so unauffällig wie möglich zu benehmen, schließlich will man ja die Eindrücke auf sich wirken lassen. Ein Baum mit Kerzen geschmückt, feierliche Musik aus der Konserve und alle sind feiner gekleidet als an üblichen Werktagen. So nehmen die Dinge ihren Lauf.
Immer noch bin ich der Fremdkörper und so werde ich in allerlei absurde Gespräche verwickelt. Die meisten lassen sich mit der Neugierde der Gastgeber erklären, aber irgendwo ist auch mal Schluss. Da wird eine normale Unterhaltung schnell zum Possenspiel. In ungeahnter Weise greifen die Menschen auf die primitivsten Wege der menschlichen Kommunikation zurück. Es wird langsamer gesprochen und lauter. Die einfachsten Gegenstände werden mit primitiven Gesten untermauert. So wird der kultivierte Zeitgenosse schnell zu einer an Windmühlenflügel erinnerndes Monster, nur weil es den Begriff schwimmen zu untermalen gibt. Schnell wird die versammelte Bande zur Laienspielgruppe. Wie gesagt – ich beherrsche die Sprache nahezu perfekt – es werden die einfachsten Regeln der Grammatik außer Acht gelassen. Wozu Artikel benutzen, wenn es schwere Begriffe zu erklären gibt. Da wird schnell ein Satz geboren wie: Herr X du können gehen in Konzert am Sonntag. Anschließend kurze Pause dann Neubeginn: Danach gehen wir schwimmen alle zusammen eine raumgreifende Schwenkbewegung setzt ein. Komplizierte Begriffe, die es wirklich nur in der üblichen Landessprache gibt, werden aber weiterhin verwendet und schließlich noch umfassend be- und umschrieben. Auch wenn ich die Begriffe nie wieder im Leben hören, geschweige denn selbst einmal anwenden würde. Der Begriff, der am prägnantesten sein könnte, könnte beispielsweise Galopprennbahn lauten. Wer bracht einen solchen Begriff? Und warum sollte ich ihn mir aneignen? Was hat ein normaler Mensch mit einer verdammten Pferderennbahn zu tun?
Sie meinen es ja nur nett und jedes bisserl Bewegung ist ja auch gut für die Figur und da mir das Wohlbefinden meiner Gastgeber am Herzen liegt, tue ich ein wenig begriffsstutzig und gucke immer etwas stupide. Das hilft.
Vielleicht wäre es ja so, wenn ich mir nicht am Schreibtisch die Füße abfrieren würde. Vielleicht würde ja auch alles ganz anders kommen, denn ein Sprichwort in meiner Heimatsprache lautet: „meistens kommt es anders als man denkt.“ Aber wie könnte man einen solchen Satz einem ausländischen Gast erklären?

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Drath

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